Die morphologische Entwicklung folgt einem Schema, welches als Schema von "Trend und Störung" bezeichnet werden kann. Die seltenen, extremen Ereignisse (Hochwasserereignisses von 1925, 1987 und 1993) spielen dabei die Rolle einer Störung. Das Flussbett wird durch Geschiebeablagerungen vollkommen umgestaltet. Es entsteht ein breites, dynamisches verzweigtes Gerinne mit neuen Uferanrissen und neuen freien Kiesflächen. Nach einer solchen Störung bestimmt eine Periode mit kleineren Hochwasserspitzen die morphologischen Veränderungen. Die kleineren Ereignisse vermögen weniger Geschiebe aus dem Einzugsgebiet zu mobilisieren und führen daher tendenziell zu einer Erosion der Flusssohle in den bestehenden Teilgerinnen, und schließlich zur Stagnation des Gewässerbettes. Mit der Eintiefung verändern sich auch andere Parameter wie benetzte Breite oder Grundwasserspiegel, welche für die Entwicklung der Aue als Lebensraum von Bedeutung sind.
Die Entwicklung der Auen im Valle di Blenio werden durch anthropogene Tätigkeiten beeinflusst: Die Nieder- und Mittelwasserabflüsse und z.T. auch die Hochwasserabflüsse sind durch Wasserkraftnutzung vermindert. Hochwasserschutzmaßnahmen im Einzugsgebiet vermindern den Geschiebeeintrag und Uferverbauungen entlang des Gerinnes reduzieren die für die Dynamik verfügbare Fläche. Wie stark ist der Einfluss dieser Tätigkeiten auf den Lebensraum Aue? Mit welchen Maßnahmen lässt sich ein Maximum an natürlicher Dynamik langfristig erhalten? Dieser Fragenkomplex wurde im Rahmen eine umfassenden Studie über die Auen im Bleniotal behandelt. Neben Fauna und Flora, Hochwasserhydrologie, Niederwasser- und Grundwasserhydraulik wurde der Sedimenttransport und die Flussmorphologie eingehend untersucht. Der Vortrag fasst die Ergebnisse zu diesem Fachbereich zusammen.