Ein probabilistisches Risikomanagement als integrales Trinkwassersicherheitskonzept

Laufzeit: 16.06.2011 bis 15.06.2014
Abteilung: LS3

Ein probabilistisches Risikomanagement als integrales Trinkwassersicherheitskonzept

Inhalt

Motivation
97% des weltweit verfügbaren Frischwassers liegt in Form von Grundwasser vor. Wie viele anderen Ressourcen ist auch Grundwasser begrenzt verfügbar. Daher ist der Schutz und dessen Management aus gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Gründen ein vorrangiges Ziel. Vor diesem Hintergrund verabschiedete die UN Generalversammlung am 28. Juli 2010 eine neue Resolution, die sicheres und sauberes Trinkwasser zum Menschenrecht proklamiert, welches ,,für den umfassenden Genuss des Lebens und aller anderen Menschenrechte" zwingend notwendig ist.
Die anhaltende Nachfrage nach sicherem und sauberem Trinkwasser kollidiert mit anderen Nutzungsansprüchen in Wassereinzugsgebieten (z.B. zunehmender Verkehr, Einsatz neuer Pestizide oder steigender Medikamentenrückstände im Ab- und Oberflächenwasser). Die existierenden Gefahrenquellen sowie die sich daraus resultierenden Risiken der Grundwasserverschmutzung stehen für einen direkten Konflikt zwischen den Interessen der Wasserversorger, stellvertretend für die gesellschaftliche Öffentlichkeit, und der Wirtschaft und Landwirtschaft. Im Jahr 2004 schrieb die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem dritten Leitfaden zur Trinkwasserqualität, dass ,,Trinkwasserqualität weltweit ein gewichtiges Gesundheitsrisiko sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industriestaaten darstellt". Aus diesem Grund empfiehlt die WHO die Implementierung von Trinkwassersicherheitskonzepten in die nationale Gesetzgebung. Somit werden Wasserversorger mit der Aufgabe konfrontiert sein, alle potenziellen Gefahren in einem Wasserschutzgebiet bestmöglich zu kennen, zu kontrollieren und zu beherrschen, so dass ein Wechsel vom aktuellem passiven Schutzgebietsmanagement wie dies zurzeit z.B. in Deutschland mit der 50-Tage Linie praktiziert wird hin zum aktiven Risikomanagement stattfindet.
Auch wenn der Wechsel zu einem integralen Risikomanagement, angefangen vom Schutzgebiet bis zum Wasserhahn, in Deutschland und anderen Ländern akzeptiert ist (DVGW Arbeitsblatt W1001 (2008)), so fehlt dennoch eine klare Definition zur Handhabung von Unsicherheiten im System. Hier ist zum Beispiel die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (US EPA) einen Schritt weiter, welche in ihrem Bericht zu ,,Risk assessment guidance for superfund: Volume III - human health evaluation (Part B)" (2001) die Berücksichtigung von Unsicherheiten vorschreibt. Unsicherheiten im Risikomanagementsystem treten z.B. bei der Parametrisierung von Modellvariablen, der Wahl des Simulationsmodells und des Diskretisierungsansatzes, der mangelnden Kenntnis über die geologische Beschaffenheit des Untergrundes und der üblicherweise geringen Datengrundlage auf. Durch die Erhebung zusätzlicher Daten werden Unsicherheiten und Unwissenheit über das System reduziert und die physikalischen Prozesse können mathematisch besser approximiert werden. Danach können Bewirtschaftungs- und Managementstrategien sowie Schutzgebiete besser ausgelegt und Sicherheitsmargen rationeller und günstiger gewählt werden.

Ziel:
Leider existieren kaum ganzheitliche systembezogene Konzepte, die Risiken vom Wasserschutzgebiet bis zum Leitungshahn simulationsgestützt und probabilistisch quantifizieren, und mit entscheidungstheoretischen Ansätzen oder mit rationalen Entscheidungsunterstützungssystemen vereinbar wären. Somit ist bislang keine rationale und daher ganzheitlich-optimale Ressourcenallokation im Risikomanagement von Trinkwasser möglich.
In diesem Projekt soll ein Risikomanagementsystem mit Hilfe Bayesscher Netze erarbeitet werden, welches eine probabilistisch-quantitative sowie ganzheitliche Analyse und Begrenzung von Risiken in der Trinkwasserwirtschaft erlaubt. Dadurch werden die von der WHO gestellten Anforderungen erfüllt oder sogar übertroffen. Trotzdem soll das integrale Risikomanagementsystem flexibel gestaltet sein und auch mit geringen Mitteln, wenigen Daten und ohne zwingende Beratung durch externe Experten auskommen. Insgesamt erlaubt das angestrebte Konzept eine ganzheitlichere sowie genauere Analyse und bessere Begrenzung von Risiken, eine zielgerichtete Einrichtung von Monitoring- und Frühwarnsystemen, und eine optimale Ressourcenallokation im Risikomanagement. Es wird Wasserversorgern in der EU und auch weltweit helfen, der Bevölkerung eine Versorgung mit sauberem Trinkwasser sicherer und zuverlässiger zu gewährleisten. Im Vordergrund steht die methodisch-konzeptionelle Entwicklung des Risikomanagementsystems, flankiert von einer synthetischen Fallstudie.

Zum Ende des Projektes können folgende Kernaussagen getroffen werden:
1) Das Gesamtrisiko für die Bereitstellung von sicherem und sauberem Wasser ist quantifiziert, unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte des kompletten Systems.
2) Die Unsicherheit für die einzelnen Bereiche im Gesamtsystem sind dargestellt und Bereiche, welche den größten Anteil an der Gesamtunsicherheit und am Gesamtrisiko ausmachen sind identifiziert.
3) Teilkomponenten des Gesamtsystems zur zielgerichteten Verringerung von Unsicherheiten sind identifiziert, um ein akzeptiertes und gegebenes Sicherheitsniveau einhalten zu können. Durch Zuweisung von Nutzwerten können unterschiedliche Risikominimierungsmaßnahmen priorisiert, miteinander verglichen und in Kombination optimiert werden.
4) Optimale Beprobungsmuster und -strategien für hydrogeologische Erkundungen werden mit gegebenem und kostenminimalem Einsatz angegeben. Dadurch kann man bestehende Sicherheitsmargen kleiner auslegen und so Restrisiken kostenneutral bzw. -minimal reduzieren.

Das Projekt findet in Kooperation mit der Landeswasserversorgung (Ansprechpartner: Dr. M. Emmert) und der Danish Technical University, Department Environment (Ansprechpartner: Prof. P. Binning) statt.

Leiter

Nowak, Wolfgang

Stellvertreter

Helmig, Rainer
Binning, Philip J.

Bearbeiter

Enzenhöfer, Rainer

Abteilung

LS3

Zeitraum

Von: 16.06.2011

Bis: 15.06.2014

Finanzen

Juniorprofessoren-Programm des Landes Baden-Württemberg

Partner

Zweckverband Landeswasserversorgung, DTU Environment (Denmark)

Zum Seitenanfang